Die Stackelberg
Die Familie von Stackelberg gehört dem deutschen Uradel an. Sie wird urkundlich erstmals 1244 erwähnt.1 Damals, also vier Jahre vor Baubeginn des Kölner Doms, vermachten Waldeverus de Stackelberg und seine Frau Alveradis dem Stift Sankt Gereon vier Wohngebäude in dessen Nachbarschaft zur Errichtung eines Hospitals (heute: Steinfelder Gasse 31-35).
Das Hospital war mutmaßlich in erster Linie eine Pilgerherberge, da nach Verbringung der Reliquien der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln ein ungeheurer Pilgerstrom dorthin eingesetzt hatte. Neun weitere Eintragungen im Kölner Grundbuch betreffen bis zum Jahre 1316 die Familie de Stackelberg (Stakelberg, Staggilberg, Stachilberg), dann verliert sich die Spur in Köln.
1 Köln 1244: Schreinsbuch 334, fol.3v, Nr.89 u. 90
Ob die ersten Stackelberg im Gefolge der Bischöfe nach Altlivland kamen, ob sie dem Ruf des Deutschen Ordens folgten oder ob sie im Zusammenhang mit Handelsgeschäften der Hanse dorthin gelangten, ist unbekannt.
Erstmals im Baltikum erwähnt wird 1305 Henricus de Stakilberg. Er nimmt in Riga ein ungewöhnlich großes und schon nach kurzer Laufzeit zurückgezahltes Darlehen auf (214 Mark Silber, dem damaligen Jahreshaushalt der Stadt Riga vergleichbar).
Wahrscheinlich diente es der Zwischenfinanzierung umfangreicher Handelsgeschäfte der Hanse. Auch weitere Angehörige der Familie erscheinen schon bald in Livland in wichtigen Funktionen. Der Knappe Arnoldus Stakelberch beendet 1341 als Bevollmächtigter der Stadt Dorpat (Tartu) eine Fehde mit der Stadt Reval (Tallinn).1 Den Vertrag besiegelt er mit seinem persönlichen Wappen. Dies ist das älteste Dokument des noch heute gültigen Wappens der Familie.
Dasselbe Wappen taucht 1394 auch in Lübeck auf.2 Ein Ritter Peter Stakelberch versichert unter Eid, dass eine Schiffsladung Wieselfelle sein Eigentum sei. Er gibt als seinen Heimatort Brünbeyne (Breuvanne) im Herzogtum Luxemburg an und siegelt mit seinem vierfach unterteilten Wappen, dessen erstes und viertes Feld identisch sind mit dem Siegel von 1341 in Reval. Die Urkunde bestätigt, dass die Stackelberg in Livland und im Rheinland zur selben Familie gehören und dass außerdem zumindest einzelne Familienangehörige an den Handelsgeschäften der Hanse beteiligt waren.
In Alt-Livland bestand der baltische Staatenbund aus den Gebieten des Erzbistums Riga, der Bistümer Dorpat, Oesel-Wieck und Kurland und den Gebieten des Deutschen Ordens. Die dort lebenden Vasallengeschlechter schlossen sich schon bald zu Ritterschaften zusammen, 1252 in Estland, später dann auch in Livland, Kurland und auf Oesel. Während im Rheinland die Stackelberg seit dem 14. Jahrhundert nicht mehr nachweisbar sind, wurden sie in Estland und Livland zu einer der größten und einflussreichsten Familien.
1 Reval 1341: Stadtarchiv Reval/Tallinn, Bfl.IV, T.57 Nr.3
2 Lübeck 1394: Staatsarchiv Urkunde 218-03.tif
Im 16. Jahrhundert brach infolge der Reformation der altlivländische Föderativstaat zusammen. Benachbarte Großmächte wollten ihren Herrschaftsbereich ausdehnen. Das Land hatte unter schwersten kriegerischen Verwüstungen zu leiden. Die baltischen Ritterschaften wurden bei diesen Auseinandersetzungen von Schweden, Russland und Polen als Standschaften angesehen, die über die staatsrechtliche Zugehörigkeit des Landes mit zu entscheiden hatten. Schweden konnte schließlich seinen Machtbereich auf Estland und Livland ausdehnen, die dadurch Teile des schwedischen Königreiches wurden. Die Privilegien der Ritterschaften wurden ausdrücklich anerkannt.
Über 100 Jahre, bis zum Ende des Nordischen Krieges, waren alle Stackelberg schwedische Untertanen, von denen sich manche auch in Schweden naturalisieren ließen und dort oder auch in Finnland besitzlich wurden. 1625 erfolgte mit Wolmar von Stackelberg (1592 – 1652) erstmals die Introduktion eines Angehörigen der Familie im Ritterhaus von Stockholm, womit die Berechtigung zur Teilnahme an den Reichstagen verbunden war. Die Familie hielt treu zur Krone Schweden. Im Heere von Carl XII dienten im Laufe von 18 Jahren 44 Stackelberg als Offiziere.
In schwedischer Zeit wurden 1714 Generalmajor Carl Adam von Stackelberg und 1727 Bernd Otto von Stackelberg in den erblichen Freiherrenstand, 1763 General Freiherr Wolter Reinhold von Stackelberg in den erblichen schwedischen Grafenstand erhoben.
Nach dem für Schweden unglücklichen Ausgang des Nordischen Krieges bekam es zwar Finnland zurück, musste aber 1721 im Frieden von Nystad Estland und Livland an Russland abtreten. Die einzelnen Zweige der Familie standen vor der Entscheidung, entweder schwedische Untertanen zu bleiben und auf ihre Güter in Estland und Livland zu verzichten oder aber Untertanen der russischen Krone zu werden. Dadurch wurde die Familie aufgeteilt auf die Länder Schweden, Finnland und Russland.
Auch Zar Peter der Große bestätigte die Privilegien der baltischen Ritterschaften und damit auch diejenigen der Familie von Stackelberg.
1775 wurde der russische Gesandte Otto Magnus von Stackelberg von Kaiser Joseph II. nach Zustimmung von Zarin Katharina der Großen in den erblichen deutschen Reichsgrafenstand erhoben. Ebenfalls durch Joseph II. in den erblichen deutschen Reichsgrafenstand erhoben wurde 1786 Reinhold Johann von Stackelberg, Kammerherr des polnischen Königs.
1854 erhielten alle Zweige der Familie, soweit sie nicht den gräflichen Zweigen angehörten, durch Ukas des Dirigierenden Senats in St. Petersburg die Berechtigung zur Führung des Baronstitels. Damit war keine zusätzliche Wappenverleihung verbunden.
1864 wurde in Reval der Familienverband von Stackelberg als eingetragener Verein gegründet.
In königlich schwedischen und kaiserlich russischen Diensten waren laut einer 1927 erstellten Statistik 206 Stackelberg Offiziere, darunter:
2 Feldmarschalle
4 Admirale
25 Generale
33 Oberste
33 Majore
In zivilen Diensten waren in dieser Zeit:
8 Landmarschalle, Ritterschaftshauptleute
7 Gesandte, Botschafter, Senatoren
30 Landräte, Gouverneure
28 Richter
3 Geistliche
3 Schiffskapitäne
Als Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller haben sich damals und auch bis heute zahlreiche weitere Stackelberg einen Namen gemacht.
Die Bedeutung des Familiennamens ist ungeklärt. Der Name kann sich von Stecken (Bäumen) auf einem Berg ableiten oder auch von einem „stahelen“ (steilen) Berg. Das Familienwappen lässt beide Deutungen als möglich erscheinen.
Die Familie erscheint urkundlich erstmals 1244 in Köln, danach in Altlivland. Das Geschick der Familie von Stackelberg im Laufe der folgenden Jahrhunderte ist ein getreues Abbild der politischen Machtverschiebungen im Ostseeraum.